Dieser Beschluss sei hier auszugsweise und teilgeschwärzt wie folgt wiedergegeben und ist noch nicht rechtskräftig.
5StVK77/16
746 Js
24868/14 V 82 StA Lübeck
5 StVK 32/17
746 Js
24868/14 V 82 StA Lübeck
Beschluss
In den
Strafvollstreckungssachen
betreffend
A.
geb. am x in Lübeck,
zurzeit in
der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel,
Sicherungsverwahrung
Suhrenkamp
92,22335 Hamburg
Verteidiger:
Rechtsanwalt
Dipl.-Jur. Till-Alexander Hoppe, Königsweg 20, 24103 Kiel
hat die
Strafvollstreckungskammer 5 des Landgerichts Lübeck am 13. Juli 2018
beschlossen:
1.
Die
Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Lübeck vom 16. Februar 2015
angeordneten Unterbringung in der Sicherungs-verwahrung wird zur Bewährung
ausgesetzt.
2.
Es tritt
Führungsaufsicht ein.
3.
Bewährungs-
und Führungsaufsichtszeit dauern fünf Jahre.
4.
Der
Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers/einer
Bewährungshelferin unterstellt.
5.
Der
Verurteilte wird angewiesen,
a)
sich
unverzüglich nach Entlassung bei seinem Bewährungshelfer/seiner
Bewährungshelferin persönlich vorzustellen;
b)
nach der
Ausreise in die Türkei sich mindestens einmal im Monat telefonisch bei seinem
Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin zu melden.
c)
Der
Strafvollstreckungskammer seine Adresse und jede zukünftige
Wohnsitzänderung
unverzüglich mitzuteilen.
6.
Die
Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung von Bewährung
und
Führungsaufsicht wird der Justizvollzugsanstalt übertragen.
7.
Die Kosten
des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens
sowie die
notwendigen Auslagen des
Verurteilten trägt
die Staatskasse.
Gründe:
I.
(…)
II.
Die
Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung musste zur
Bewährung ausgesetzt werden, da dem
Verurteilten während der Strafhaft keine ausreichende
Betreuung im Sinne des § 66 c Abs. 2 i.V.m. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB
angeboten worden ist, § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB.
§ 66 c Abs. 1 Nr.
1 sieht vor, dass dem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines
regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine
Betreuung anzubieten ist, die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu
fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische
Behandlung, die auf den Untergebrachten
zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht erfolgversprechend
sind, und die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die
Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der
Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden
kann.
§ 66 c Abs. 2
bestimmt, dass dem Verurteilten schon während des Strafvollzugs eine Betreuung in diesem Sinne, insbesondere eine sozialtherapeutische
Behandlung, anzubieten ist.
Diesen
Anforderungen genügen die dem Verurteilten in der JVA Lübeck gemachten Angebote nicht. Eine sozialtherapeutische Behandlung ist ihm definitiv
nicht angeboten worden. Vielmehr ist sein entsprechender
Antrag abgelehnt worden. Die Ablehnung ist bereits für sich
genommen rechtsbedenklich. Zur Begründung der Ablehnung hat die JVA ausgeführt, dass die "schwankende, undurchsichtige Motivation sowie
der unklare ausländerrechtliche Status" gegen eine
Verlegung in die Sozialtherapie sprächen. Auf die zweite Erwägung durfte die JVA die Ablehnung nicht stützen. Sie durfte nicht
davon ausgehen, dass die einmal begonnene
Sozialtherapie wegen einer möglichen Abschiebung des Verurteilten nicht würde beendet werden können. Denn ob die Staatsanwaltschaft von der
Möglichkeit des § 456 a StPO Gebrauch machen würde, war
völlig unklar. Die JVA musste deshalb ihrer Entscheidung die
Annahme zugrunde legen, dass die Strafe vollständig vollstreckt würde und hätte zu bedenken gehabt, dass im Anschluss die Sicherungsverwahrung
angeordnet war. Sie hätte deshalb nach der
gesetzgeberischen Wertung des § 66 c Abs. 2 StGB bei ihrem Behandlungsangebot in erster Linie in den Blick nehmen müssen, dass
die Vollstreckung der Maßregel möglichst unterbleiben
sollte. Dass einer sozialtherapeutischen Behandlung dabei
besondere Bedeutung zukommt, ist ausdrücklich gesetzlich geregelt.
Rechtsbedenklich
ist ebenfalls, dass die JVA für die Ablehnung die schwankende und undurchsichtige Motivation des Verurteilten ins Feld geführt hat. Dabei
kann offen bleiben, ob die Aussage des
Verurteilten zutreffend ist, dass ihn der Zeuge N. zunächst zur
Rücknahme des
Antrags auf Verlegung in die Sozialtherapie geraten habe, da er ohnehin
abgeschoben werde. Dies liegt allerdings auch nach der Aussage des Zeugen N.
("Das werde ich nicht gesagt haben") keinesfalls fern. Es wäre
nämlich jedenfalls Aufgabe der JVA gewesen, eine Therapiebereitschaft beim
Verurteilten zu wecken. So hat die Sachverständige
Dr. D. ausgeführt, dass es der Aufnahme
in der Sozialtherapie zwar grundsätzlich
entgegenstehe, wenn keine ausreichende Motivation vorhanden sei. Diese könne jedoch in - gegebenenfalls mehreren -
Vorgesprächen geweckt werden. Dies hat die JVA versäumt. Eine Aufnahme in die sozialtherapeutische Abteilung war
auch nicht vor dem Hintergrund der
nur kurzen Haftzeit von vornherein kontraindiziert. Denn die dortige sozialtherapeutische
Behandlung hätte gegebenenfalls über das Strafende hinaus fortgesetzt werden
können, indem mit Zustimmung des Verurteilten die Sicherungsverwahrung weiter in Lübeck hätte vollstreckt werden können. Dass
intensiv versucht worden ist, eine
Therapiemotivation hinsichtlich der Sozialtherapie beim Verurteilten zu wecken, ergibt sich nicht aus den Stellungnahmen
der JVA und den Aussagen der gehörten Zeugen.
Dabei ist in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB ausdrücklich vorgesehen, dass dem Verurteilten eine Betreuung anzubieten ist, die
geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken.
Selbst wenn die
Ablehnung der Aufnahme des Verurteilten in die Sozialtherapie rechtmäßig erfolgt sein sollte, hätte die JVA trotzdem nicht ihrer Verpflichtung aus
§ 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB genügt Sind nämlich standardisierte Angebote nicht
erfolgversprechend, so ist dem Verurteilten eine auf den
Untergebrachten zugeschnittene Behandlung anzubieten. Dies ist nicht geschehen. Das Anbieten therapeutischer Einzelgespräche war
insofern nicht ausreichend. Diese waren in keiner Weise mit
einer Behandlung in der Sozialtherapie, die sowohl die Zeugin M.
als auch die Sachverständige Dr. D. als
"non plus ultra" bezeichnet haben, vergleichbar.
Denn ein klares therapeutisches Konzept für diese Gespräche war nicht ersichtlich. Nach der Aussage der Zeugin M. liegt
nahe, dass der Inhalt der Therapiegespräche letztlich allein
von den Wünschen des Verurteilten abhing. Auch das Anbieten der Teilnahme an der
Motivationsgruppe für potentielle Sicherungsverwahrte
war nicht ausreichend. In dieser Gruppe war nämlich auch kein klares therapeutisches Konzept vorgegeben. Vielmehr oblag
es den Teilnehmern, die Inhalte zu bestimmen.
Zwar mag es sein, dass im Einzelfall auch therapeutische Deliktsbearbeitung in der Gruppe stattfindet. Zwingend ist dies jedoch
nach der Aussage der Zeugin M. nicht.
Nach Ablehnung der
Aufnahme in der Sozialtherapie hätte es vielmehr nahe gelegen, dem Verurteilten gemeinsame Therapiesitzungen mit seiner Lebensgefährtin Frau
B. anzubieten.
Auch ein Langzeitbesuch wäre sicher wünschenswert gewesen. Denn die Begehung der Anlassdelikte hing gerade
auch mit Frustration des Angeklagten in der Beziehung zusammen. Für die Bearbeitung dieser
Problematik hätten sich gegebenenfalls gemeinsame Therapiesitzungen mit der Lebensgefährtin
angeboten. Dies entspricht jedenfalls auch der
Einschätzung der Psychologin M..
Da die dem Untergebrachten angebotene
Behandlung somit nicht den gesetzlichen Vorgaben genügte, war die Vollstreckung der
Maßregel gemäß § 67 c Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Auf die nach wie
vor negative Legalprognose kommt es für die Aussetzung nicht an. Lediglich überragende
Sicherheitsgesichtspunkte können einer Aussetzung entgegenstehen. Solche liegen
derzeit nicht vor. Die Gefährlichkeit des Verurteilten hat sich vielmehr durch seine,
wenn auch derzeit nur unter den strukturierten Bedingungen der Unterbringung
bestehenden, Abstinenz von Rauschmitteln nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. D. vermindert.
(…)